Matthias Tödtmann

Der »Instrumenten-Doktor« des Ensembles über die Entwicklung des Geigenbaus

Geigenbau ist einfach was wahnsinnig Traditionelles. Wenn man jedoch an die Weiterentwicklung des Instrumentenbaus, gerade bezüglich der Streichinstrumente betrachtet, dann ist festzustellen, dass unglaublich viel experimentiert wird. Und das, weit darüber hinaus, was ich mir bisher vorgestellt hatte: es gibt ja die ersten Kohlefaserinstrumente oder Instrumente auch aus anderen Kunststoffen; man versucht zwangsläufig auch Materialien, die in Zukunft vielleicht nicht mehr benutzt werden dürfen, wie beispielsweise Ebenholz, mit alternativen Stoffen zu ersetzen. [...] Aber das sind dann tatsächlich Kunstprodukte und keine Hölzer mehr...

Die vegane Geige von morgen!?

Tja, ja vielleicht. Ich werde mich damit vermutlich nicht besonders auseinandersetzen. Geigenbau ist einfach was wahnsinnig Traditionelles. Und allein auf diesem Feld, wenn man mit dem arbeitet, was uns im Laufe dieser Jahrhunderte gezeigt wurde, kann man schon so viel experimentieren und so viel erfahren und ausprobieren, ich brauch‘ da nicht mehr. Und für mich ist das auch etwas sehr Abgerundetes in seinen Eigenschaften.

À propos Jahrhunderte: Viele »Zutaten«, die Methoden und Techniken entstammen vergangener Epochen... Fühlen Sie sich manchmal als Zeitreisender?

Ich fühle mich schon gelegentlich als Zeitreisender. Aber eigentlich vielleicht auch manchmal eher als »aus der Zeit gefallen«. Ich merke wir leben so ein bisschen [..], wir haben [mit unserem Atelier, unserer Werkstatt], so ein eigenes Biotop hier.  Wenn nicht gelegentlich Kunden reinkommen würden, dann würden wir hier eigentlich wie in einer anderen Zeit arbeiten.  Und natürlich sind die ökonomischen Verhältnisse so, dass wir uns nach denen richten müssen. Und wir müssen auch von irgendwas leben, das sind Gedanken, die schon immer mitspielen. Aber wir leben schon in einer Welt, die sehr besonders ist und natürlich total spannend und toll – [die Welt des Instrumentenbaus].

Das versuche ich auch immer in den Führungen, die ich hier gelegentlich anbiete zu vermitteln, was aus diesen vergangenen Zeiten heute noch so spürbar ist, wo wir heute gelandet sind und wo vielleicht in den letzten 400 Jahren die Entwicklung so stattgefunden hat. Das ist schon etwas sehr, sehr spannendes.

Ich weiß nicht, ob ich mich am Ende dieser Zeitleiste sehe - da ich ja nicht weiß, was sich noch entwickeln wird, aber ich kann nur sagen: Die Instrumente sind im Grunde in ihrer Konstruktion unverändert geblieben.

Es hat nur einmal einen großen Bruch gegeben, und damit sind wir beim Thema Romantik: In der Mitte des 19. Jahrhundert hat sich etwas sehr Einschneidendes verändert. Da wurde von den Komponisten ein größerer Klang verlangt, es wurden größere Konzertsäle gebaut, es wurden Konzerte für Geige und großes Orchester geschrieben; Mahler, Bruckner, Wagner haben riesige Orchester gebraucht, die Säle füllen mussten, mit mehreren hundert Leuten - das hatte es vorher ja nicht gegeben; das war alles eher Kammermusik. Die Instrumente sollten dann angelegt werden auf ein größeres Volumen, Tragfähigkeit, Durchsetzungsvermögen - gerade die Solisten brauchten Instrumente, mit denen sie auch noch in der letzten Reihe zu hören waren – zu diesem Zeitpunkt hat man dann tatsächlich versucht anders zu konstruieren. Man versuchte beispielsweise mit einem höheren Saitenzug zu arbeiten, den Halswinkel steiler zu konstruieren; das wiederum bedingte, dass man die Instrumente solider bauen oder einen anderen Bassbalken einsetzen musste. Zu dieser Zeit war also schon ein Wandel im Instrumentenbau, in der Konstruktion spürbar.

Wenn es heutzutage noch viele tolle Stradivari-Instrumente gibt, dann muss man dazu sagen, dass die Stradivaris fast alle umgebaut sind, die waren damals anders. Die Stradivari-Instrumente haben diesen Umbau gut verkraftet. Andere Instrumente waren für diesen Umbau nicht so gut geeignet, die waren klar nur für den Kammermusik-Gebrauch ausgelegt, darunter etliche Amatis... - die sind einfach zarter gebaut.

Aber gut, das war der große Umbruch in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ansonsten ist die Entwicklung sehr kontinuierlich und ohne grundsätzliche Veränderung in der Konstruktion verlaufen und man sieht auch heute keinen Grund das zu verändern.

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