»In Wangs Musik lodert es, brennt es, brüllt es. Sie hat eine unglaubliche Kraft.« Sofia Gubaidulina
»In Wangs Musik lodert es, brennt es, brüllt es. Sie hat eine unglaubliche Kraft.« Sofia Gubaidulina

Xilin Wang zählt zu den bedeutendsten Komponisten Chinas. Sein effektvoller und ausdrucksstarker Kompositionsstil bewegt sich jedoch überwiegend unabhängig von chinesischen Traditionen. Wang wurde 1936 in Kaifeng in der chinesischen Provinz Henan geboren. Nach dem frühen Tod seines Vaters, entschied sich der mit seiner Familie in Armut lebende Teenager, einer Künstlergruppe innerhalb der Volksbefreiungsarmee beizutreten. Er studierte Komposition und Dirigieren am Shanghai Conservatory of Music, wo er 1962 mit seiner Ersten Sinfonie einen erfolgreichen Abschluss feierte. Nur ein Jahr später wurde er für seine sinfonische Suite »Yunnan Tone Poem« mit dem höchsten chinesischen Staatspreis ausgezeichnet.

Doch die Zeichen standen in China schon auf Kulturrevolution und noch im selben Jahr änderte sich seine Situation schlagartig: Nach einem öffentlichen Vortrag, in dem er die Kulturpolitik der Regierung kritisierte, geriet der junge Komponist ins Kreuzfeuer der staatlichen Kampagne gegen westliche Kunst. Er wurde prompt aus seinem Amt als Residenzkünstler beim Rundfunkorchester in Peking entlassen, für viele Jahre verbannt und als Zwangsarbeiter in die Stadt Datong geschickt. Dort litt er unter Gefangenschaft und Folter: »Im Oktober 1968 wurde ich von den Leuten fast totgeschlagen. Die Schläge haben meine inneren Energien befreit. Und ich habe mir geschworen: Ich werde überleben.«

Der revolutionäre Komponist und Freigeist, der durch die Misshandlungen zwischenzeitlich sogar einen Teil seines Hörvermögens verlor, fand über die Jahre einen Weg, seine Erlebnisse und Gedanken in der Musik auszudrücken. Über seine Dritte Sinfonie beispielsweise erklärt er: »Das Unrecht belastete mich, der Tod so vieler Menschen. Ich wollte in der Musik nicht nur mein eigenes Schicksal, sondern das Schicksal meiner ganzen Generation widerspiegeln. Ich brauchte zehn Jahre zur Vorbereitung und musste erst die musikalische Sprache finden, um diese Sinfonie schreiben zu können.«

Wang überlebte und kehrte 1978 nach Ende der Kulturrevolution nach Peking zurück. Dort setzte er sich mit den Komponisten der europäischen Avantgarde auseinander. Seine Faszination für diese Musik machte sich unmittelbar auch in seinen eigenen Werken bemerkbar, in denen er seither Ideen des Minimalismus und des Serialismus einbezieht. Als großer Schostakowitsch-Verehrer kombiniert Wang dies häufig mit folkloristischen Elementen, teilweise auch mit traditionellen chinesischen Klängen und Motiven.

Text: Julika von Werder

Elbphilharmonie Hamburg

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