Story of »memory jolts«

A work by Clara Iannotta for resonanz.digital

An Ludwig van Beethoven erinnern: Das war einer der großen Kulturaufträge im Jahr 2020. Da war es fast schon erfrischend, dass die KölnMusik im Jubiläumsjahr ihre Philharmonie zur »Beethovenfreien Zone« erklärte. Ohne eine einzige Note des Klassiktitans zu verwenden, sollten sich 25 Komponistinnen und Komponisten von ihm inspirieren lassen, darunter auch: Clara Iannotta.

Als Beethovens Ohren zu »sausen und brausen« anfingen, fühlte er sich grauenvoll.

»Hätte ich irgend ein anderes Fach so gings noch eher, aber in meinem Fach ist es ein schrecklicher Zustand...« Die italienische Komponistin Clara Iannotta spürt noch 250 Jahre später eine tiefe Verbundenheit und versucht, Beethovens Zustand musikalisch nachzuspüren.

Für das »non bthvn projekt«, zu dem auch das Ensemble Resonanz nach Köln geladen wurde, wurden also vor allem die berühmten Konversationsheften herangezogen. Die Notizbücher legte Beethoven an, als er immer schlechter hörte. Sie enthalten vor allem Beiträge und Informationen, die ihm seine Gesprächspartner schriftlich mitteilten. Bis zu 400 Hefte sollen sie insgesamt befüllt haben, über 130 sind bis heute erhalten.

Für Clara Iannotta war der Kölner Kompositionsauftrag ein Herzensprojekt. Die Italienerin leidet selbst an Otosklerose, eine Erkrankung des Knochens, der das Innenohr umgibt. Es gibt Vermutungen, dass Beethovens Schwerhörigkeit von derselben Krankheit herrührte.

1801, im Alter von 31 Jahren, schilderte Beethoven seine Symptome: »Der neidische Dämon hat meiner Gesundheit einen schlimmen Streich gespielt, nämlich mein Gehör ist seit drei Jahren immer schwächer geworden ... nur meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort ... Ich bringe mein Leben elend zu. Seit zwei Jahren meide ich alle Gesellschaften, weils mir nicht möglich ist, den Leuten zu sagen, ich bin taub. Hätte ich irgend ein anderes Fach so gings noch eher, aber in meinem Fach ist es ein schrecklicher Zustand... Die hohen Töne von Instrumenten und Singstimmen höre ich nicht, wenn ich etwas weit weg bin, auch die Bläser im Orchester nicht. Manchmal auch hör ich den Redner, der leise spricht, wohl, aber die Worte nicht, und doch, sobald jemand schreit, ist es mir unausstehlich.«

»Memory Jolts« in der Elbphilharmonie am 02.11.2021

Es sollte nicht besser werden, 1816 war Beethoven fast vollständig taub. In den letzten Jahren bis zu seinem Tod 1827 stellten die Konversationshefte die einzige Möglichkeit für ihn dar, eine Unterhaltung zu führen, auch wenn er selbst meist mündlich antwortete.

Clara Iannotta hört ebenfalls stets einen Tinnitus, vor zehn Jahren hat sie ihre Diagnose erhalten. Damals war sie – wie Beethoven zu Beginn seiner Symptome – 28 Jahre alt. Die Komponistin empfindet daher eine starke Verbindung zu Beethoven und große Empathie für die Frustrationen, die der Gehörverlust auslöst. Die wahrgenommenen Klänge stimmen nicht mehr mit der inneren Vorstellung überein. Solche Momente und den damit verbundenen Schock drückt sie musikalisch aus, in »Memory jolts. Flashes of pink in the brain«

Wer mit Erinnerungen hantiert, muss auf bereits Erlebtes zurückgreifen. Weil Iannotta kein Werk von Beethoven verwenden durfte, hat sie auf ein eigenes zurückgegriffen: das Streichquartett »You crawl over seas of granite« Das Quartett basiert auf deformierten Klängen, die Saiten der Streichinstrumente sind »verstimmt«, mit Gummi oder Holz gedämpft und mit Klebe- und Papierstreifen präpariert. Sehr detaillierte Spielanweisungen zu Bogen- und Fingerdruck stehen über den langen Tönen. Das Ergebnis ist ein hauchzartes, ständig changierendes Klanggranulat, das sich nicht wirklich kontrollieren lässt. Ob sich so das Kriechen über ein Meer aus Granit anfühlt, wie der Titel des Streichquartetts verlauten lässt?

Wie pinke Blitze im Gehirn beschreibt Clara Iannotta dieses Phänomen und antwortet damit auch auf eine Konservationsheft-Notiz, die möglicherweise von Beethoven selbst stammt, als er eine Gehörmaschine testete: »Der Ton bleibt zu viel Rückwärts / Lassen Sie mir nur etwas Zeit, ich will schon noch Versuche machen.«

Die Erfahrung des Nicht-mehr-Wiedererkennens sei hart, könne aber auch inspirierend sein, sagt Iannotta. Von ihrem Publikum wünscht sie sich daher Offenheit. Ihre Musik springe niemandem ins Ohr, man müsse sich selbst um einen Zugang bemühen, alle Sinne schärfen, um die länge wahrzunehmen. – Beim Hören ihrer Musik kann man tatsächlich den Eindruck gewinnen, man gräbt sich tief ins eigene Innenohr, und spürt mit größter Faszination die Bewegung von Schallwellen durch den eigenen Körper.

Memory jolts. Flashes of pink
in the brain. Violet stripes on the wall
and purple lines painted on carpets that lead
to the hall.

In the back of beyond the old cats are playing,
slow-motion praying, sinking on haunches
like sphinxes with curlicued nails. The swirlicued
horns
of the ram.

Cushions on floorboards. Lairs full of smells.
Sharp nostrils flair at the moon. Out of sight
the retractable genitals, gilded and sore.
Testosterone treated, the males.

My mother wails ›Daughter, oh daughter, they’re going
to slaughter the woolly-brained lambs‹. Much good
that it does when the trays come around. Marietta
and tea.

In the garden, those leaves, blooming great things
to cover pudenda and tail. Apple cores
litter the ground, birds pick with the gold
of their beaks.

Iodine, Mercurochrome. Syrup of figs.
Soundless as time that sweeps at my face
with its thin metal hands. Loud as the spade
that cuts into loam

on the day that will come. Carpe diem, they say
and pray their Novenas, move heaven and earth
with their lips. Firm down the clay.

Dorothy Molloy